Barbaras Auswärtsspiel

12.3.2011


Ich bin dann mal weg…

Anmerkung der Kolumnistin: Liebe Leser, ich habe lange überlegt, ob ich diese Kolumne überhaupt schreiben soll. Das Erdbeben, der Tsunami und nun die drohende nukleare Katastrophe in Japan sind so schrecklich, dass mir die Worte fehlen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, so etwas wie Unterhaltung zu machen, was solch einen Hintergrund hat. Es ist eine Pietätsfrage und dennoch habe ich sie geschrieben. Der gestrige Tag hier an der Westküste war geprägt von der Tsunamiwarnung für die US-Westküste, die Berichterstattung im Fernsehen war beeindruckend amerikanisch und wir sind alle froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Das sage ich nicht nur als Beobachterin, sondern tatsächlich als Bewohnerin dieser Gegend. Ich möchte, dass ihr diese Kolumne wie immer lest, aber daran denkt, dass auch in mir der Schock über das Beben in Japan tief sitzt und ich es nicht benutzen möchte.

Tsunamiwarning

Die ersten Berichte von dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami in Japan sah ich noch Donnerstagabend im Fernsehen. Die Nachrichten berichteten fast ausschließlich über erschreckende Bilder, da die Nachrichtensender am Anfang einer solchen Katastrophe ja auch noch keine Informationen haben. Es wurde von einer Tsunamiwarnung für Hawaii berichtet, für die US- Westküste bestehe keine Gefahr. Das war der Stand unmittelbar nach der Katastrophe.

Ich ging mit den Bildern im Kopf ins Bett, schockiert und mit Angst vor den Nachrichten am nächsten Tag, denn das Ausmaß und die Zerstörung, die unvorstellbare Zahl an Opfern und Betroffenen zeigt sich doch immer erst Stunden, manchmal Tage nach einer solchen Katastrophe. Ich schaltete morgens das Fernsehen wieder ein, um Nachrichten zu schauen und mehr über das Beben in Japan zu erfahren.

Nachrichten liefen, rund um die Uhr, aber Japan wurde nur noch am Rande erwähnt, als Einleitung für die eigentlichen Schlagzeilen.

Tsunamiwarnung für die gesamte Westküste der USA!

Was heißt das, was wird erwartet und welche Auswirkungen wird es haben. Die Küstenstraßen auf Meereshöhe waren schon um halb sieben gesperrt, die Schulen in den Küstenorten hatten schulfrei, erstens um die Schüler nicht in Gefahr zu bringen und zweitens um Platz für eventuelle Evakuierungen zu haben. Die Menschen wurden aufgefordert im Falle von Evakuierungen keine Probleme zu machen, aber gleichzeitig wurde gesagt, es bestehe eigentlich gar keine Gefahr. Sie zeigten Bilder von einer handvoll Menschen, die in den frühen Morgenstunden ihre Häuser verließen und eine Turnhalle aufsuchten (volunteered evacuation/ freiwillige Evakuierung), sie erzählten, dass sie einfach Angst hätten und man hörte immer wieder den Satz: better safe than sorry.

Eine Gratwanderung der Medien, die Menschen nicht in Panik zu versetzen aber trotzdem das Wasser, das kommt, ernst zu nehmen.

Die Menschen waren teilweise verunsichert. Andere machten sich lustig, denn die Flutwellen die erwartet wurden, sollten nicht höher als etwa 1,50m sein, was nicht viel klingt. Die Strände waren alle gesperrt, Bilder von Polizisten und Reportern auf leeren Straßen, die sonst um diese Uhrzeit mit Berufsverkehr verstopft sind und der völlig zugeparkte Skylineboulevard, die Straße auf dem Höhenzug zwischen Santa Cruz und San Franzisko, bestimmten das Bild im Fernsehen am frühen Vormittag. Viele Bewohner aus Halfmoonbay brachten sich und ihre Autos in Sicherheit. Auch wenn eigentlich keine Gefahr bestand, in Halfmoonbay wäre man gefangen, wenn das Wasser höher stiege als erwartet. Ich kann die Menschen verstehen. Wenn die Schulen in Halfmoonbay geschlossen haben, dann gibt es offenbar Grund genug den Ort auch zu verlassen: better safe than sorry!

Die ersten Flutwellen wurden zwischen 7 und 8 erwartet. Die Katastrophe in Japan wurde tatsächlich nur noch am Rand erwähnt.

Und dann plätscherten die ersten Wellen in den Hafen von Santa Cruz, und an die Piers in San Franzisko, die Reporter klangen enttäuscht. Bis sich in Santa Cruz das erste Boot im Hafen losriss. Inzwischen kamen und gingen die Wellen alle 20 Minuten. Das Wasser legte ungefähr in dieser Zeitspanne die Strecke zurück, die es sonst in 6 Stunden macht. Also Ebbe und Flut alle 20 Minuten.

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Aufnahmen aus dem Fernsehen: nur wenige Minuten liegen zwischen diesen beiden Bildern, soviel steigt das Wasser sonst in Stunden



Das erste Boot das sich losriss wurde aufs Meer raus getrieben und von der Küstenwache wieder eingesammelt, aber es blieb nicht das einzige. Manche Boote rissen sich samt den Stegen los, an denen sie fest waren und die Kraft des Wassers wurde im Verlauf des Vormittags sichtbar. Ein Nachrichtensender hatte gleichzeitig immer zwei Bilder laufen, teilweise die vernichtende Welle in Japan neben den schaukelnden Booten im Hafen von Santa Cruz. Viel erklärt wurde nicht, was gibt es da auch zu erklären.

Gegen Mittag wurden die Autos aus Halfmoonbay, die auf der einzigen Straße raus in die Hügel standen, aufgefordert, woanders hinzufahren, da man die Straße frei für Notfälle braucht, die schaulustigen Fußgänger am Santa Cruz Hafen wurden evakuiert, nicht weil sie in Gefahr waren, sondern weil sie die Rettungsteams behindern würden, wenn es etwas zu retten gäbe. Ein Fotograf wurde tatsächlich ins Wasser gezogen und ein Surfer, der den Tsunami reiten wollte, wurde verletzt und gerettet.

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Hwy 92 aus Halfmoonbay raus: ein Highway dient als Parkplatz, die Behörden bitten darum, woanders zu parken


Die Bilanz: Im Yacht-Hafen von Santa Cruz sind etwa 30 Schiffe schwer beschädigt worden und hunderte leicht, der Ruderclub Santa Cruz hat all seine Ruderboote verloren und viele Stege sind beschädigt. Es reichte um einen Vormittag rund um die Uhr zu berichten.

Die Experten waren sich einig: da Freitagmorgen an der Westküste absolutes Niedrigwasser war, lief der Tsunami glimpflich ab, wäre hohe Flut gewesen, wäre mehr passiert, denn das Wasser hatte große Kraft.

Mir wurde noch mal wieder deutlich, wie grundlegend verschieden die Berichterstattung in deutschen Nachrichten und den amerikanischen ist. Während hier hauptsächlich über Bilder berichtet wird und am allerliebsten live, man Wert auf Emotionen legt, Augenzeugen interviewt und Betroffene (wenn man keine findet, nimmt man welche die 1989 das Erdbeben erlebt haben oder welche, die sich an den Tsunami 1964 erinnern) versucht die gute alte Tageschau doch auch sachlich zu informieren. Ich schaue also, wenn ich etwas wissen will, doch lieber im Netz Nachrichten. Ich brauche nicht gleichzeitig zwei verschiedene Aufnahmen von zwei verschiedenen Orten, wenn ich einen Nachrichtensprecher habe, der mir erklärt, was wo passiert ist.

Aus der deutschen Tagesschau weiß ich, dass die USA von einem Tsunami getroffen wurde, es aber keine Schäden gab. Aus einem Vormittag USA-Fernsehen weiß ich, dass ganz schön viel passiert ist, man die Kraft des Wassers unterschätzt hat, aber trotzdem Glück hatte, dass es nur Sachschäden waren. Es war wie ein heftiger Sturm, nur halt bei schönem Wetter.

Und ganz egal wie sehr die Menschen auch schimpfen, dass die Vorsichtsmaßnahmen dann doch übertrieben waren, ich denke wie so viele, die den gestrigen Tag auf dem Skylineboulevard und dem Hwy 92 in sicheren Höhen verbracht haben…

Better save than sorry…!


16.3.2011

Ich bin dann mal weg…

Spring begins on Sunday

Das ist ein Zitat. Spencer, der Wettermann aus den Nachrichten, begann so seine Sieben-Tage-Prognose. Wie immer mit einem breiten Lächeln kündigte er diesmal Regen an, mal nur Schauer, mal Dauerregen, mal nur auf der Nordbay mal die ganze Gegend, noch dazu mit heftigem Wind, da der Jetstream aktiv ist, aber das alles machte mich nicht stutzig, stutzig machte mich, dass der Frühling am Sonntag anfangen soll.

In meinem Kalender steht Montag, es ist ein deutscher Kalender.

Na klar, das liegt an der Zeitverschiebung! Der astrologische Frühlingsanfang ist am Montag, 21.3.2011, 0:13 Uhr MEZ (google sei Dank), wir sind im Moment 8 Stunden dahinter, da wir schon Sommerzeit haben, macht also Sonntag 20.3.2011, 16:13 Uhr Pacific Time. Und ich dachte schon, die Amerikaner machen sich ihren eigenen Frühlingsanfang! Nein, es ist alles in Ordnung.

Der Frühling ist zu sehen, zu riechen und zu hören.

Er ist für mich immer die allerschönste Jahreszeit. Es wird wieder wärmer und die Kraft des Lebens ist überall wahrzunehmen. Büsche, Bäume, Beete und Felder werden grün und grüner und bunt und bunter. Ich dachte immer, dass ich den Frühling besonders genieße, weil er die kalte, kahle und dunkle Jahreszeit beendet.

Aber das stimmt wohl nicht ganz. Hier ist der Winter nicht so kahl und kalt wie in Deutschland, es gibt zwar einige Bäume und Sträucher, die ihr Laub abgeworfen haben, dafür sind, seit es ab und zu mal regnet, die Hügel ganz grün und nicht mehr vertrocknet braun, weil das Gras wächst. Orangen und Zitronen hängen reif an ihren Bäumen und eigentlich hatte man schon im November das Gefühl, dass etwas passiert, so wie in Deutschland im Frühling.

Mir fiel das auf, aber Frühlingsgefühle waren das nicht. Es reicht also nicht, dass die Welt um einen herum grün wird, um welche zu bekommen.

Frühlingsgefühle kommen tatsächlich jetzt erst auf. Die Vögel zwitschern seit einigen Wochen um uns herum, als hätten sie jetzt erst das Zwitschern gelernt, Pflanzen, fremde und solche, die ich hier nie vermutet hätte, fangen an zu wachsen und zu blühen und es riecht nach Frühling. Ein Gemisch aus Heuschnupfengeruch durch Baumblüten und Raps und einfach nur Frische. Das Gras, das schon seit November vorsichtig wächst, ist innerhalb von Tagen plötzlich fast kniehoch, Disteln wachsen, Poisen Oak hat wieder Laub und im Park habe ich Gänseblümchen und Löwenzahn gesehen. Bedauerlicherweise haben das auch die Parkgärtner gesehen und haben heute dagegen Gift gespritzt und Schilder aufgestellt, dass heute der Rasen mit Pestiziden belastet ist: Hunde und Kinder fernhalten!

Ich habe versucht den Frühling zu fangen:


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Auch das Grün selber verändert sich. Es wird kräftiger, satter und die winterharten Gewächse treiben genauso aus, wie die Pflanzen, die keine Blätter mehr haben. Und dann noch das Licht. Seit am Sonntag die Uhr umgestellt wurde, ist es endlich wieder länger hell. Na und dann blüht es auch noch überall, die Kirschblüte ist schon vorüber, sie war mit der Magnolie die Erste, sie wurden von so vielen bunten Sachen abgelöst, die ich zum Großteil gar nicht kenne. Der biologische Frühling beginnt hier früher als in Deutschland, was wohl am Klima liegt, aber er ist auf jeden Fall genauso mächtig. Ich glaube, das Besondere am Frühling ist die unglaubliche Kraft, die in ihm steckt…


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Frühlingsregen: ein zarter Regenbogen spannt sich über das Tal


Spring, it is not only a season, you can feel it; the sun on your skin, the wind in your hair, see the plants with the eyes and smell them with your nose, hear the animals with your ears…feel the Spring with your heart! Whether in California or in Germany the power of nature is everywhere.


19.3.2011

Ich bin dann mal weg…

Tornadowarning versus radiation

In der letzten Kolumne schrieb ich noch vom Frühling und nun ist das Wetter so schlecht, dass man gar nicht raus möchte. Es ist kalt, ungemütlich, stürmisch und es schüttet wie mit Eimern. Spencer, der Wettermann, hatte Recht!

Die Welt schaut besorgt nach Japan und das tut sie über Zeitungen, Internet und Fernsehen. Ich selber habe nun sowohl eine Tagesschau-App, wie auch eine ABC7-News-San Francisco-App auf meinem Handy, so dass ich rund um die Uhr wann immer ich will, Nachrichten gucken kann. Die Deutschen um mich ausführlich zu informieren, die Amerikanischen Lokalnachrichten, um zu wissen, was gerade hier so los ist.

Die Menschen hier hatten und haben noch Angst vor der nuklearen Belastung, die aus Fukushima kommt. Und ich erhalte tatsächlich Anrufe aus Deutschland, die nachfragen.

Meine Angst hat mir Ranga Yogeshwar genommen, warum auch immer, ihm vertraue ich, da er so unbestechlich wirkt und in Aachen studiert hat. Aber natürlich gibt es auch hier Wissenschaftler, die uns über die Medien beruhigen. Ich glaube ihnen.

Nach meinen Beobachtungen der amerikanischen Nachrichten, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man hier dazu neigt, Dinge zu dramatisieren, wenn sie nicht von selber dramatisch genug sind und die objektive Berichterstattung, die man gerne hätte, darunter leidet, das die stories auch spektakulär genug sein müssen, um es in die Nachrichten zu schaffen. So beruhige ich mich: Wenn in den Medien die Wissenschaftler sagen, die Strahlung die in Kalifornien zu erwarten ist, wird wohl zu messen sein, aber auf jeden Fall unbedenklich bleiben, dann glaube ich ihnen, denn könnten sie eine story draus machen, dann würden sie es tun. Doch…

…ein Restzweifel bleibt.

Ich gehöre nun nicht zu den Menschen, die sich mit Wasser, Konserven und Jodtabletten eindecken, auch nicht zu denen, die mit einem Regenschirm durch den Regen laufen, damit sie keine Radioaktivität abbekommen, aber ich ertappe mich dabei, dass ich besorgt in meine Nachrichten-Apps schaue, um Strahlungsvorhersagen zu hören. Am Donnerstag gab es zum Wetterbericht noch einen radiation plume forecast…


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Bild: google sei Dank!


...am Freitag wurde nur noch am Ende der Nachrichten von einem harmlosen Anstieg der Radioaktivität gesprochen. Top Thema war die Tornadowarnung, die Sturmwarnung und der Tornado, der die Nordbay traf. Einwohner erzählten, dass sie so was hier noch nie erlebt hätten. Er hinterließ wohl eine Schneise der Verwüstung auf der Nordbay, umgeknickte Strommasten und ein weggewehtes Garagentor, der Sturm verzögert die Aufräumarbeiten des Tsunamichaos im Hafen von Santa Cruz und die Fischgeschäfte in Halfmoonbay jammern, dass der Fisch nicht übers Wochenende reichen würde, weil bei dem Wetter auch keiner Fische fangen geht. Gut, das beruhigt mich etwas. Wenn diese Nachrichten wichtiger als die Radioaktivität sind, dann wird’s wohl nicht so schlimm sein. Solange der Professor aus Berkley, der bis jetzt von minimal erhöhter Strahlung berichtet, nicht Top-Thema ist, brauchen wir uns hier an der Westküste wohl nicht vor der Strahlung fürchten. Das rede ich mir zumindest ein.

Anyway, whether there are harmless traces of radiation in California or not, in Japan isn't it harmless. We have to rethink.


26.3.2011

Ich bin dann mal weg…

Heavy rain

Es regnet seit Tagen. Wenn man die lokalen Nachrichten einschaltet, dann könnte man meinen, Kalifornien geht unter. Berichte und Bilder von Erdrutschen, umgefallenen Bäumen, die Häuser trafen, evakuierte Wohngebiete, die an Bächen stehen, die zu reißenden Flüssen geworden sind. (Ein Berichterstatter fing seinen Bericht an: „Millionen von Bäumen sind stehen geblieben, aber nicht alle…“)

Floodingtime!!!

Es ist Regenzeit und die Gegend hier ist hügelig. Eigentlich ist es völlig normal, dass solche Dinge passieren. Es gibt in Mountain View einen Park, indem ich regelmäßig spazieren gehe. Dort steht das ganze Jahr ein Schild, dass der Weg in der Überflutungszeit geschlossen ist. Ich habe immer über dieses Schild geschmunzelt, da ich dort bis vor kurzem nie Wasser sah. Nun weiß ich was gemeint ist.

Auch auf unserer Straße gab es einen Erdrutsch, aber er war nicht Nachrichtenreif, da er weder Häuser von der Außenwelt abschloss, noch irgendetwas unter sich begraben hat.


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Bild: google sei Dank


Ich persönlich habe ein ganz anderes Regenproblem.

Die Garage ist undicht! Da wir keinen Keller haben, habe ich alle Umzugskisten, die ich noch nicht ausgepackt hatte, einen Schrank, den die mexikanische Umzugstruppe nicht aufstellen konnte, weil die Eisenwaren dazu verbummelt wurden (nur wenige Dinge sind verloren oder kaputt gegangen) und die leeren Umzugskisten in der Garage (weil die Umzugsfirma es einfach nicht geschafft hat, sie abzuholen). Die Garage war rappelvoll.

Als ich vorgestern etwas in der Garage nachschauen wollte, hörte ich ein Tropfen und schaute sofort nach unten. Da war ein See um und unter all meinen Bücherkisten. Der Regen kommt durch die Garagenwand, sie ist komplett durchnässt. Es tropft an den Fenstern runter und läuft dann an der Wand nach unten.

Viele Kinderbücher, Kochbücher und Romane waren noch in Kisten. Mich verließ im September irgendwann die Lust, weiter auszupacken.

Lust hatte ich jetzt auch nicht, aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich war also den ganzen Tag mit auspacken und wegwischen beschäftigt, zwischendurch mailte ich Edward, dem Hausverwalter, der auch sofort jemanden schickte, der sich das Chaos anschaute. Allerdings war es ein Dachdecker, der mit mir einer Meinung war, dass es nicht das Dach ist, welches undicht ist. Der gute Edward schickt nächste Woche einen Fensterspezialisten. Aber auch der wird nicht der richtige Handwerker sein. Es ist die ganze Wand. Offensichtlich kennt Edward keinen Wandspezialisten.

Eigentlich bin ich guter Dinge. Da es nicht mein Haus ist, bin ich relativ entspannt, allerdings muss da etwas geschehen, sonst bricht irgendwann die ganze Wand zusammen. Die Kisten sind nun alle ausgepackt, die Garage aufgeräumt und ich habe sogar meinen Regenhut gefunden. Ich dachte immer, dass ich ihn hier nicht brauchen werde…

Think positive: Now the removal is completely done. All boxes are empty and the whole stuff is in order. Sometimes we need a kick in the XbeepX!


2.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Wild Turkeys

Der Truthahn ist für mich der wahre Wappenvogel Amerikas. Nicht ohne Grund ist er das nationale Feiertagsessen überhaupt. Ob zu Thanksgiving oder zu Weihnachten, er macht die amerikanische Großfamilie satt und das nicht nur am ersten Tag. Ein ausgewachsener Truthahn mit einer anständigen Füllung schafft es zwei, vielleicht sogar drei Tage. Er ist einfach zuzubereiten. Ich finde die Kruste am leckersten, das Fleisch finde ich persönlich immer etwas langweilig, ich bevorzuge Gans oder Reh, aber das ist ja Geschmackssache.


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mein erster Truthahn zu Thanksgiving 2010


Aber warum Truthahn?

Wilde Truthühner sind in Nordamerika zu Hause, sie sind Ureinwohner. Sie waren Hauptfleischquelle der Indianer und wurden von inidianischen Völkern des Südens domestiziert, so entwickelte sich das Haustruthuhn, die Pute, die ihr Fleisch für Sandwiches, Würstchen, Schnitzel und Festtagsbraten zur Verfügung stellt.

Die Population der wilden Truthühner erlitt mit der immer dichter werdenden Besiedelung Nordamerikas einen dramatischen Einbruch, 1940 gab es in Nordamerika nur noch etwa 300 000 Exemplare. Durch effektive Schutzmaßnahmen und massive Landflucht erholte sich der Bestand aber wieder und lag 1990 bei etwa 3 bis 5 Millionen Tieren. (wikipedia sei Dank).

Ich selber habe das große Glück etwa 14 bis 18 von ihnen persönlich zu kennen. Wir sind Nachbarn. Naja, kennen ist übertrieben, eben so, wie man auch seine Nachbarn kennt, man grüßt sich, aber mehr auch nicht.

Das erste Mal traf ich Großfamilie Turkey im Dezember, ich zählte 14 Tiere auf dem Scheunendach nebenan, als ich mit meinen Hunden unterwegs war. Truthähne schlafen auf Bäumen, Zäunen und Dächern, sie können fliegen, allerdings nicht besonders gut. Von da an, wollte ich sie immer fotografieren, aber wann immer ich meinen Fotoapparat dabei hatte, traf ich sie entweder nicht, oder sie liefen ins Unterholz, während ich den Fotoapparat zu Recht kramte. Ich gab auf.


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Familie Turkey auf der Nachbarweide, ganz links der Chef

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Chef

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Imponierende Männchen


Trotzdem freue ich mich, wann immer ich sie treffe. Truthühner sehen ein bisschen wie Gänse aus, die Hähne sind viel größer und haben prächtigeres Gefieder. Seit einigen Tagen belagern sie unser Haus. Morgens sitzen sie auf den Zäunen und Bäumen rund ums Haus, nachmittags marschieren sie durch den Wald oder auf der nachbarlichen Weide und sie lassen sich sogar fotografieren, allerdings nur von weit weg, ich bräuchte ein Teleobjektiv. Deshalb habe ich aufgehört, sie fotografieren zu wollen, stattdessen beobachte ich sie lieber leise und studiere ihr Balzverhalten, die Tänze der Männchen, die wie Pfauen ein Rad schlagen. Nun verstehe ich erst wirklich den Kopfschmuck eines Indianerhäuptlings.

Ich fange an sie zu mögen, auch wenn sie furchtbar hässlich sind. Hätten sie nicht so einen kahlen roten Kopf mit hässlichen Hängebacken, wären sie das amerikanische Wappentier. Denn sie sind in ganz Amerika zu finden, haben den ersten Siedlern geholfen durch den harten Winter zu kommen und scheinen in so was wie einer demokratischen Gemeinschaft zu leben. Aber sie sind eben nicht attraktiv genug, um es auf ein Wappen zu schaffen, das Casting gewann der Weißkopfseeadler.


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emblem bald eagle - emblem with turkey


The bald eagle looks majestical, strong and pretty. He is an idol. The turkeys are just the folk, they are common, social, busy, chatty and ugly.


3.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Anmerkung der Kolumnistin: Diese Woche ist die Woche der wilden Tiere. Ich schreibe immer wieder gerne über sie. Die Fauna hier ist fantastisch. Man trifft so viele wilde Tiere, die man sonst nur aus Büchern, Fernsehen oder Zoos kennt.

Ich bin diese Woche ein paar Mal von Einheimischen gefragt worden, wo ich herkomme, ob es mir hier gefällt und wie lange ich bleiben möchte. Ich antworte dann immer ganz ehrlich. Es ist eine tolle Gegend, wer könnte Kalifornien nicht mögen, ich genieße die Zeit, die ich hier bin, möchte aber irgendwann wieder dahin zurück, wo meine Menschen sind, nach Aachen. Aber das Heimweh ist vorrüber.

Diese Woche war Sommer, ich traf täglich Familie Turkey, ein Luchs schlich durch unseren Garten vom Trampolin zum Hottub, ich sah bedauerlicherweise einen überfahrenen Mountain Lion auf dem Highway liegen, aber immerhin, es war ein Tier von stattlicher Größe. Kurze Zeit später sah ich ein totes Opossum am Straßenrand, auch lustige Tiere, sie sehen aus wie dicke Ratten in der Größe eines Bibers. Und dann waren da noch; eine kleine Schlange mit rotem Bauch, die Hawks die in der Luft lauthals balzten und dabei akrobatische Kunstflüge machten, eine Ameise die so groß wie ein Mistkäfer war, orangerot behaart an Kopf und Hintern, Woodpacker (schwarzweißer Specht mit roter Haube), der die ganze Zeit in Holz hämmert und unzählige Tiere, die ich sowieso ständig sehe oder höre. Dazu schien die Sonne, es waren Temperaturen um 27°C. Ich kann lachend sagen: Mir geht es gut, ich fühle mich wohl und ich bin endlich glücklich.

Zu den Turkeys: sowohl Birdwatcher (der Vogelkenner aus dem Laden gleichen Namens) wie auch John (der Hüter unseres Hügels) sind froh zu hören, dass es dem Bestand der Truthähne auf unserem Berg sehr gut geht. Sie sagen, dass man normalerweise immer nur ein Männchen mit ein paar Weibchen sieht. Ich hätte Glück eine so große Menge über Tage beobachten zu können und den Imponiertanz der Männchen gesehen zu haben. Birdwatcher sagte auch, dass Truthähne ein riesiges Areal haben und dort herumwandern. So erklärt sich, warum man sie manchmal wochenlang nicht sieht. John bestätigte, dass der Truthahn wirklich als Wappenvogel im Gespräch war, aber Bette Midler würde auch nie auf der Titelseite der Cosmopolitan erscheinen. Bei Birdwatcher kaufte ich ein Verkehrsschild für unseren Zaun:


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Der Höhepunkt diese Woche war jedoch das Treffen mit den Expatweibchen am Strand von Half Moon Bay. Die Fotos sind von Petra, sie lebt schon viele, viele Jahre hier und will genau wie ich, immer noch zurück nach Deutschland, ich danke dir, sowohl für die Fotos, wie auch für die Zuversicht, dass zu Hause immer zu Hause bleibt, egal wie lange man im Ausland lebt.

California Seelion Rescue
(Robbie)

Donnerstag, einer der schönsten Tage in der Woche, Donnerstag ist Half Moon Bay Tag. Ich habe es schon öfters erwähnt. Jede Woche treffen sich einige deutsche Frauen mit und ohne Hund am Strand von Half Moon Bay. Diese Spaziergänge haben Geschichte. Irgendwann kamen Mütter der Deutschen Schule auf die Idee einmal in der Woche gemeinsam mit ihren Hunden am Strand von Half Moon Bay spazieren zu gehen. (Ich glaube es war sogar Petra, die diese Gruppe vor Jahren ins Leben rief) In alten Kolumnen (b.aus.2010) –Homesick- und -Der Expatriate- erwähne ich Half Moon Bay, das Schnattern der Expatweibchen und das Kaffetrinken nach dem Strand. Man trifft sich beim Deutschen Bäcker, ich esse immer ein Puddingteilchen, trinke einen Cappuccino und schnattere fröhlich mit.

Ich möchte diese Gruppe nicht mehr missen.


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von links nach rechts: Petra, Eva, Dagmar, Daniela, Barbara, Britta, Gisela, Brigitte


Diesen Donnerstag war es noch schöner als sonst, das Wetter war prächtig, wir waren besonders viele und statt dem Kaffeetrinken beim Deutschen Bäcker war ein Picknick nach dem Spaziergang geplant.

Auf dem Hinweg, wir gehen immer etwa gleich weit, es ist ein wenig von den Tiden abhängig, wie weit wir kommen, also…auf dem Hinweg trafen wir auf einen offenbar kranken Seelöwen, die Hunde waren neugierig und er lag apathisch am Strand.

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Bertel und Robbie


Wäre ich nun alleine unterwegs gewesen, hätte ich bei mir gedacht: armes Tier und ihn der Natur überlassen. Auch wenn ich wilde Tiere sehr mag, gehöre ich nicht zu den Tierrettern, die alle kranken und humpelnden Tiere einsammeln und aufpäppeln wollen. Ich füttere auch im Winter keine Vögel, da ich ausgesprochener Selektionsanhänger bin, wer es diesen Winter nicht alleine schafft, schafft es auch nächsten nicht. Das ist nicht grausam, sondern Natur.

Dennoch bin ich froh, dass nicht alle so denken und es Menschen gibt, die wissen, wen sie anrufen müssen, um Seelöwen oder andere Tiere zu retten. Ein Seelöwe ist kein Eichhörnchen und gäbe es keine Tierrettungsprogramme, wären wilder Truthahn und Seelöwe wahrscheinlich schon ausgestorben. Ich werde meine Selektionstheorie noch einmal überdenken. Was kann das Tier dafür, wenn der Mensch sich so breit macht?

Gisela, sie lebt schon ewig hier, rief also beim Marine Mammal Center an.

Marine Mammal Center

Das Marine Mammal Center kümmert sich um Meeressäugetiere. Robben, Seeotter, Seelöwen, Seeelefanten (drei e hintereinander?) und andere. Oft sind Tiere verletzt, krank oder einfach nur schwach. Sie werden aufgepäppelt und medizinisch versorgt. Es soll noch dazu ein lohnenswerter Ausflug sein und ist inzwischen auf meiner Ausflugsliste ganz oben.

Wir gingen weiter und waren alle froh, dass der Seelöwe gerettet wird. Als wir wieder zurückgingen, lag er immer noch da. Ein elendes Bild!

Wir holten die Picknicksachen und verbrachten den Rest des Vormittages fröhlich in der Sonne.

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Die Mütter, deren Kinder in Mountain View zur Schule gehen, mussten irgendwann gehen. Gisela und Petra blieben noch alleine sitzen. So sahen sie, wie die Rettungscrew kam. Sie gingen noch einmal mit und konnten zuschauen, wie Robbie, so nannte Petra ihn, eingefangen wurde. Er soll sich sehr gewehrt haben und leider auch aus dem Maul geblutet haben, aber nun ist er ja in den besten Händen.

Robbies Rettung:


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Er wird wohl auf der Webseite
Marine Mammal Center-Patients als Patient (March 31.admit date) erscheinen (ich weiß nicht unter welchem Namen) und wir hoffen, dass wir seine Genesung verfolgen können.

-Robbie: Get well soon! -Gisela: Thanks for calling the Marine Mammal Center! -Petra: Thanks for the pictures and the link. -Eva: Thanks for the great idea with the picnic! -All Half Moon Bay-Expatweibchen: Thanks for all the wonderful Thursdays!


6.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Domoic Acid Toxicosis

Domoinsäure Toxikose sagt die Wörterbuch-App meines Telefons (großartige Erfindung, habe ich schon mal erwähnt, dass ich mein Telefon liebe, es ist so smart!), das muss ich erst mal googlen:

Also, Toxikose nennt man das Krankheitsbild einer Vergiftung und Domoinsäure ist strukturanalog zur Glutaminsäure, bindet aber mit 100-fach höherer Affinität an L-Glutaminrezeptoren. (Wikipedia sei Dank!) Das ist natürlich schlimm. Ich habe zum Glück Biologie studiert, aber auch wenn man unbedarfter Geisteswissenschaftler ist, wird einem bei -100-facher Affinität- klar, dass es sich um was Schlimmes handelt.

Das ist die Diagnose von Breezy. Breezy, so hat das Marine Mammal Center unsere Robbie genannt. Sie ist 65 kg schwer und auf der Webseite steht bei Diagnose: harassed/ erschöpft.


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Ich bekam den Seelöwen nicht aus dem Kopf, so schaute ich diesmal nicht jede Stunde nach -earthquake today- im Internet, sondern öffnete den ganzen Montag die Webseite des Marine Mammal Centers, (Marine Mammal Center) in der Hoffnung, dass das wöchentliche update der Patienten endlich erscheint und ich weiß, was mit dem Seelöwen passiert ist, den ich einfach hätte liegen lassen.

Aber kein update, nur das spontane update der Patientenzahl, die sank bei den Sea Lions mal zwischendurch auf 5, ging dann wieder auf 6 und ich fragte mich warum. Ich dachte natürlich, Robbie hat es nicht geschafft, dafür ist ein anderer gerettet worden. Petra dachte ähnlich, wir hatten regen e-mail Austausch. Abends kam ich dann auf die Idee, eine e-mail an das MMC zu schreiben und einfach mal zu fragen. Erfreut sah ich dann gestern Nachmittag das Patienten-update: Breezy, 65 kg, weiblich, gefunden 31.3. am Poplar Beach.

Heute erhielt ich dann eine e-mail vom MMC, dass die Diagnose von Breezy Domoinsäure Toxikose.

Wenn ich Fragen hätte, soll ich fragen. Ich bedankte mich überschwänglich und versicherte, dass mein nächster Ausflug zum MMC geht.

Also hat unser Seelöwe eine Muschel bzw. Fischvergiftung. Klar, soll man doch nur in Monaten mit -r- essen, und wir haben ja schon -fast Mai-. Da kommt kein -r- drin vor.

Spaß beiseite:

Wenn ich das richtig verstanden habe, könnte die red tide, die rote Flut, Schuld sein. Das ist eine toxische Algenblüte, die von Muscheln und Fischchen gefressen wird, sich in ihnen anlagert und dann schlimme Auswirkungen bei den am Ende stehenden der Nahrungskette hat. Diese Vergiftung äußert sich in Lethargie, Desorientierung und eventuellem Tod. Besonders tritt diese Blüte wohl in El Nino-Jahren auf. Ein Seelöwe frisst natürlich besonders viel der befallenen Seefrüchte, aber es ist denkbar, dass das was für den Seelöwen gefährlich ist, auch dem Menschen gefährlich werden kann.

Wie dem auch sei, ich bin froh, dass Breezy lebt, esse selber höchstens einmal im Jahr Muscheln, denn sie lagern nicht nur Domoinsäure an und habe vorsichtshalber die Telefonnummer des MMC in meinem schlauen Telefon gespeichert, falls es noch mal einen Meeressäuger zu retten gibt.

Next time when I see an ill marine mammal on the beach, I will call the Marine Mammal Center, I promise!


8.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Sprinkler System

Nun leben wir schon über sieben Monate in diesem großen Land. Es gibt vieles, an das ich mich gewöhnt habe und gar nicht mehr auf die Idee komme, darüber zu schreiben, da es Alltag geworden ist, über anderes werde ich mich wahrscheinlich ein Leben lang wundern, da ich mich einfach nicht daran gewöhnen werde und dann überrascht mich dieses Land auch immer mal wieder mit Kleinigkeiten, die mich zum Schmunzeln, zum Lachen und zum Staunen bringen. Es sind Kleinigkeiten, aber ich stehe bewundernd davor und sage:

-Great!!!-

Zu den Dingen, die ich gar nicht mehr erwähne, weil sie Alltag geworden sind, gehören die Sprinkleranlagen. In jedem Garten und in jedem Park werden der breitblättrige Rasen, die Blütenpracht, die Büsche und sogar auch Bäume durch ein ausgetüfteltes System bewässert. Unterirdisch sind flexible, schwarze Plastikrohre verlegt, mit regelmäßig angeordneten Düsen, kleinen Spritzen, Sprinklern und kleinen Duschen, die automatisch ausgefahren werden und entweder Wasser rundherum verspritzen oder nur in eine bestimmte Richtung oder drehend und stoßweise im Kreis, Halbkreis oder wie immer man das haben möchte. Im Baumarkt gibt es unzählige Teile, um sich selber eine Bewässerungsanlage in den Garten zu legen.

Wenn ich morgens mit den Hunden in den Hügeln spazieren gehe, habe ich danach immer klitschnasse Schuhe, das liegt am Tau, wenn ich mittags im Park bin, habe ich auch immer klitschnasse Schuhe, das liegt nicht am Tau, das liegt an der Sprinkleranlage.

Auch wir haben ein Bewässerungssystem, allerdings ist es wahrscheinlich so alt, wie das Haus, extrem marode, da das Wasser sehr kalkig ist, und hat letzten Sommer des Öfteren die Hügelzisterne völlig geleert, da sie irgendwo undicht war und das gesamte Wasser für die Hügelbewohner in unseren Garten gelaufen ist. Ich bin dazu übergegangen völlig mitteleuropäisch den Garten mit dem Wasserschlauch zu bewässern, das braucht zwar seine Zeit, dafür habe ich die Sicherheit, dass noch genug Wasser zum Duschen bleibt, auch für die Nachbarn.

Bewässerungsanlagen gibt es aber nicht nur für Gärten und für Parks.

Nun war ich mal in einem anderen Supermarkt als sonst, ich stand an der Gemüsetheke und wunderte mich über das etwas eigenartige Aussehen von Wirsing. Ich fragte den Gemüseeinräumer, Ben, der übrigens deutsche Eltern hatte, die aus Hamburg kamen, was das für Kohl sei. Er sagte das wäre Savoy Cabbage und ich wollte gerade in meiner fantastischen Wörterbuch-App nachschauen, ob das auch Wirsing heißt und murmelte Wirsing vor mich hin, da sagte er: „Yes, Wörsing, that’s it.“ Er kann zwar kein Deutsch sprechen, kennt aber fast alle Gemüsenamen, was sehr hilfreich ist, wenn man mal deutsche Kunden wie mich hat. Wir unterhielten uns; er findet, Deutsch ist eine schwere Sprache, er belegte mal einen Kurs auf dem College, ich erzählte, dass mir eine Chinesin erklärte, dass Mandarin dafür ganz einfach sein soll, da es keine Zeiten gäbe. Chinesen sagen: ich kaufe morgen oder gestern oder vor 2000 Jahre…, und plötzlich ertönte fürchterliches Gewittergrollen.

Ich erschrak. Im allerersten Moment dachte ich an ein Erdbeben, aber nur extrem kurz, dann war mir klar, dass das aus dem Lautsprecher kommt und was als nächstes passiert.

Nach so einem Gewittergrollen setzt im Sommer der Regen ein und genau das war es. Die Sprinkleranlage für das Gemüse begann zu arbeiten und der Donner ist das Signal für den Kunden, die Hände vom Gemüse zu nehmen, sonst werden sie nass.

Einfach nur großartig, ich finde das hat was. Ich werde dort öfters einkaufen gehen, weil mir das gefällt und außerdem gibt es dort Dill in der Tube. Ich musste warten, bis der Regen aufhörte, denn der Dill steht hinter dem Regen im Trockenen. Ich fragte Ben, ob ich ein Foto machen könnte und er lachte, natürlich, wir sind doch nicht in Deutschland, wo man nicht mal das Gemüse anfassen darf. Er hat gehört, was man in Deutschland anfasst, müsse man auch kaufen. Ich bin wohl nicht die einzige, die vorgefasste Meinungen über fremde Länder hat. Ich klärte ihn auf, dass Gemüsetheken in Deutschland fast genau wie in Amerika sind, nur nicht mit Sprinkler System. Nach 8 Minuten Warten donnerte es wieder und ich konnte ein Foto machen.

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Ich fange an, eine partielle Liebe für dieses Land zu entwickeln, die über die Faszination der Tier- und Pflanzenwelt hinausgeht. Ich entdecke tatsächlich einen gewissen Sinn für Humor und Liebe fürs Detail.

America, you are a big strange country. I wonder about a lot of things but also I am fascinated. I am happy to write this, because there was a time in my life, I thought that would be never happen.


13.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Breezy is alive

Osterferien, Ausflugszeit! Ich hatte mir vorgenommen, dass mein nächster Ausflug ins Marine Mammal Center geht und ich war da!

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Britta aus Köln-Junkersdorf, Kathrin, Clemens, Moritz, Jonathan und ich wollten Breezy besuchen, mal schauen, was unser Seelöwe macht, aber schon die Dame am Eingang bedauerte, dass wir die Seelöwen nicht sehen würden, man könnte nur Seeelefanten sehen. Da wir keine Führung wollten und auch keinen Audioguide, konnten wir einfach das Gelände betreten und mussten nicht einmal Eintritt bezahlen.

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Man konnte Käfige mit Wasserbecken sehen, kleine Seeelefanten, die herum lagen und ihnen bei der Kommunikation zuhören, die können ganz schön laut rufen. Im Großen und Ganzen war die illustre Reisegruppe eher enttäuscht. Das Highlight für die jüngeren Jugendlichen war der Souvenirladen mit den wirklich schönen Kuscheltieren und die lebensgroßen Meeressäuger aus Stein im Eingangsbereich.

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Dass Breezy lebt, weiß ich von der Webseite.

Da wir nun aber schon mal im Norden von San Franzisko waren und keine Hunde dabei hatten, machten wir noch einen kurzen Abstecher zu den Muir Woods. Es ist ein Redwood Wald, in den ich normalerweise niemals kommen würde, da ich ja nicht ohne Hunde in den Wald gehe. In Amerika sind aber Hunde in National Parks und National Monuments verboten. Es gibt genug Wälder, in die ich die Hunde mitnehmen darf, nur eben nicht in alle. Anders als im Marine Mammal Center mussten wir tatsächlich für den Wald Eintritt bezahlen. Man staunt über die großen Bäume und die Schönheit des Waldes, es sieht ein bisschen wie im Märchen aus und man selber ist plötzlich ganz klein. Allerdings war es relativ voll auf den eingezäunten Wegen, weshalb es einem dann doch eher wie ein Baummuseum vorkommt, als wie ein Stück unberührter Natur.


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Noch vor Weihnachten habe ich mich maßlos darüber aufgeregt, dass ich die National Parks nicht mit Hunden betreten darf, dass ich nur kleine Redwoods sehen werde und niemals die ganz großen. Mehrfach habe ich überlegt böse Kolumnen über Verbotsschilder zu schreiben, was ich aber nicht getan habe. Vor Weihnachten bin ich nicht auf die Idee gekommen, mal zu schauen, was hinter den Verbotsschildern ist.

Dahinter verbirgt sich gewaltige Schönheit, die mit vielen Menschen zu teilen ist und ein bisschen kann ich es sogar verstehen, dass es so viele Verbotsschilder gibt.

Auf dem Rückweg fuhren wir dann noch zum Pier 39, da wir noch mal freie Seelöwen sehen wollten, stellvertretend für Breezy.


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Pier 39 ist eine Bootsanlegestelle an Fisherman’s Wharf in San Franzisko. Nach dem Erdbeben 1989 wurde der Pier saniert und in dieser Zeit war er Bootsfrei. Das nutzten die Seelöwen und zogen im Winter nach dem Erdbeben von ihrem Seal Rock nördlich von Ocean Beach an die Bootsanlegestelle, welche Tidenunabhängig und somit leichter zu erreichen und frei von Feinden wie Haien und Orkas war.

Auch als der Bootsverkehr wieder aufgenommen wurde, wuchs die Seelöwenzahl weiter von zunächst 6-10 Tieren auf 400. Pierbetreiber, Bootsbesitzer und Anwohner beschwerten sich über Lärm, Geruch und Gefahr. Nach einer Beratung mit dem Marine Mammal Center beschloss man, den Pier den Seelöwen zu überlassen und der Bootsverkehr wurde ausgelagert. Die Stege, die dem Gewicht der Tiere nicht gewachsen waren, wurden 1995 durch schwimmende Pontons ersetzt. (Wikipedia sei Dank).

Ich ziehe meinen Hut vor der Entscheidung, den Tieren den Pier überlassen zu haben. Dieses Land überrascht mich nicht nur ab und zu mit Kleinigkeiten, manchmal erstaunt es mich auch mit großartigen Dingen, die ich so gar nicht erwartet hätte.


Since I opened my heart for the beautiful things in America, I am able to see them.


15.4.2011

Ich bin dann mal weg…

Stomp

To stomp heißt stampfen und ist der Name einer fantastischen Performancegruppe. Wir waren im San Jose Center for the Performing Arts. Rudi und Rieke haben uns eingeladen, da ihr Sohn ab und zu mal bei uns wohnt. (Danke noch mal, es war ein toller Abend und Johannes ist jeder Zeit bei uns willkommen!)


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(Bilder alle: google sei Dank)


Nobbi konnte nicht mit, ihm ist kurzfristig beruflich etwas dazwischen gekommen…wie war das? Manches ist unbezahlbar, für alles andere gibt es Mastercard? In unserem Fall ist es Freizeit, gemeinsame Freizeit, die unbezahlbar ist oder besser, sie ist der Preis, um alles andere mit Mastercard bezahlen zu können.

Er hat was verpasst:
You tube: Stomp




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8 extrem rhythmisch und körperlich begabte Menschen unterhalten das Publikum eineinhalb Stunden ohne Pause nur mit Rhythmus, der auf handelsüblichen Besen, Eimern, Tonnen, Deckeln, Verkehrsschildern, Zeitungen, Plastiktüten, Monstertruckreifen und sonstigem geschrubbt, geschlagen, geklopft, gestampft, geschüttelt, gepoltert, gepustet, gezischt und gedengelt wird. Das Zuhören wird nicht langweilig, im Gegenteil, man erwartet ständig etwas Neues und man wird auch nicht enttäuscht. Ich möchte aber gar keine Rezension schreiben, ich bin kein Kritiker. Dafür kann man ins Internet schauen oder in die Zeitung, wenn sie mal bei einem in der Nähe sind. Stomp ist ab und zu auch mal in Deutschland zu sehen.


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Vielmehr ist mir mal wieder etwas aufgefallen. Es sind die kleinen Unterschiede, die einen immer wieder daran erinnern, nicht in Deutschland zu sein. Vor und während der Aufführung hätte ich es fast vergessen. Das Theater sah aus wie ein Theater, roter Teppich, verschiedene Eingänge, aufgeteilt in Reihen und Sitzplätze und vorne eine Bühne. Das Publikum war gut gemischt, jung, alt, schick und Turnschuh, alles dabei. Bei einer Aufführung von Stomp hätte ich auch in Deutschland nichts anderes erwartet.

Die Aufführung war große Klasse, das erwähnte ich bereits und dann war sie zu Ende. Es gab großen Applaus, ganz kurz und dann ging es weiter. Ich nehme an, dass das die Zugabe war. Danach gab es tosenden Applaus, der sofort in Standing Ovations überging, aber nur sehr kurz. Die Künstler schnappten sich förmlich ihren Applaus und dann war alles vorbei.

Ich finde das schade. Ist es nicht immer wieder klasse, wenn nach einer guten Aufführung der Applaus rauscht, der Künstler die Bühne verlässt, der Applaus anschwillt, bis er wieder kommt und das Ganze sich so lange wiederholt, bis die Hände wehtun und das Publikum aufgibt. Ich finde dieses Applausspiel einer Aufführung den Lohn des Künstlers, je besser, je länger. Ich als Applaudierender habe das Bedürfnis lange und laut zu klatschen, wenn mich eine Aufführung vom Sockel gehauen hat, ich stehe auf, wenn ich noch einen drauf setzen möchte. Der Künstler soll in Applaus baden können. Was ich bei Stomp erlebte, war eher Katzenwäsche.

Es war wie auch nach jedem Essen in einem Restaurant hier in Amerika. Man hat keine Zeit. Sitzt man beim Essen und hat den Teller gerade geleert, kommt schon der Kellner, fragt, ob man noch ein Dessert möchte und will man keines, dann hat er schon die Rechnung bereit. Mir kommt das immer ein bisschen wie Rausschmiss vor. Die Ruhe und Gemütlichkeit danach fehlt. Und genau das ist der Punkt. Amerika hat keine Zeit. Keine Zeit für Applaus und keine Zeit für ein Sitzen nach dem Essen. Dafür haben sie auf der Straße Zeit, vor allem auf der Autobahn, an der Kasse im Supermarkt und die meiste Zeit haben sie an Telefonhotlines. Es ist mir ein Rätsel, warum man auf der einen Seite extreme Gemütlichkeit erlebt, die wir Deutschen als Trödelei ansehen und auf der anderen Seite, wo ich mir Gemütlichkeit wünsche, alles schnell und hektisch ist.

Die Zeitverteilung ist einfach eine andere.

Whether in Germany or in America each day has 24 hours. The difference is in the splitting.


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