Barbaras Auswärtsspiel

9.9.2010


Sonderausgabe aus aktuellem Anlass:
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen…, eine Geschichte zu Rainer und Steffis Hochzeitsfest

Die Braut aus dem Karton

Es war einmal vor vielen, vielen Jahren in einem fernen Land, in dem die Sonne wärmer scheint, der Rotwein kräftiger schmeckt und die Nächte länger und wacher sind, als man es sich überhaupt vorstellen kann, ein kleines, heiteres Volk, deren Tage sich nur in den zubereiteten Speisen und erzählten Geschichten unterschieden. Tagsüber, wenn die Sonne ihren Lauf nahm, ruhten sie, lasen Bücher oder benetzten sich die Körper mit kühlem Wasser aus dem tiefblauen Wasserbecken.


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Wenn die Sonne den Zenit weit hinter sich gelassen hatte, vertrieben sie sich die Zeit mit dem Schmeißen von silbernen Kugeln, bei Sonnenuntergang tafelten sie bis es finstere Nacht war.


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Dann begann die Drei-Gläser-Zeit. Leben kam in das Volk. Geschichten wurden erzählt, Neue erfunden, gelacht, getanzt und gesungen, aber auch Weltprobleme besprochen und theoretisch gelöst, da es sich um ein durchaus weises Volk handelte. Wenn die ersten Sonnestrahlen den Himmel kitzelten und die Venus der letzte Punkt am Himmel war, legten sie sich zur Ruhe, bis die Sonne wieder hoch am Himmel stand und ein neuer Tag begann.

Es waren gute Zeiten, aber das Volk war klein. Der König war ein gerechter, kluger Mann, seine wenigen Untertanen, die das Glück hatten einen Gemahl oder eine Gemahlin im Volk gefunden zu haben, waren fruchtbar und sorgten reichlich für Nachkommen.


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Jedoch die Untertanen, die dieses Glück nicht hatten, schickte der König in die Welt hinaus, um dort ihren Gefährten zu finden. Nur wenige kehrten zurück. Die meisten, die in die Welt hinausgingen, lebten fortan bei den Völkern der gefundenen Gemahle oder sind heute noch auf der Suche. Einige kamen mal zu einem Besuch zurück, doch die meisten sahen sie nie wieder. Bei einem treuen Untertan, war es anders. Er ging in die Welt hinaus, um sein Glück zu finden und er fand es auch, aber erst nach langer, langer Zeit.

AUS_SOND_05web …er fand sein Glück in der Welt… AUS_SOND_06web

Statt aber nicht zurück zu kehren, wie alle anderen, brachte er es einfach mit.


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Nun ist es Brauch in diesem Volk, die Liebe und Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen. Alle Paare werden im Laufe ihrer Verbindung durch den König oder das Volk selbst auf eine harte Probe gestellt, die es zu bestehen gilt, ehe man die Ruhe in der Verbindung finden kann.
Nachdem die Unbekannte von dem Rat der Ältesten durch viele Gespräche, Geschichten die sie erzählen musste und Silberkugeln die sie schmeißen sollte, auf ihre Tauglichkeit geprüft wurde, musste nun der Untertan seine Treue und Liebe beweisen.

Nur durch Entbehrung kann wahre Liebe erkannt werden. So musste er die Auserwählte selber zur Landesgrenze bringen, sie fortschicken und sich selbst überlassen, obwohl in dieser Nacht noch sein eigenes Geburtstagsfest gefeiert werden sollte. So war es vom Rat beschlossen.

Er tat, wie ihm geheißen, brachte seine Liebste fort und kehrte ohne sie zurück, um mit dem Rest des Volkes alleine das Jahresfest zu begehen. Nur wer auch alleine glücklich und froh sein kann, schafft es auch in einer Verbindung, die ein Leben halten soll.

Er war bereit. Bereit, trotz frischer Liebe zu feiern, durchaus mit Sehnsucht im Herzen, aber ohne Verzweiflung. Genau so sollte es sein.

So beschloss der König, die Auserwählte zurück zu holen, in einen großen Karton zu stecken und zum zwölften Schlag, als die Nacht ihren Höhepunkt hatte und der Geburtstag begann, wieder hinaus zu lassen.

Das unerwartete Wiedersehen kam einem Feuerwerk gleich, die ganze Nacht wurde gefeiert, getanzt und gesungen.


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Leider blieben auch sie nicht bei dem Volk und gingen in die Welt hinaus, kehrten zwar noch einmal zurück, gingen dann aber ihre eigenen Wege. Sie hielten jedoch immer Kontakt und lebten glücklich und zufrieden draußen in der großen Welt. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute.

Liebe Steffi, lieber Rainer,

das ist nur eine Geschichte, so oder so ähnlich könnte es sich zugetragen haben. Aber ich bin sehr froh, dabei gewesen zu sein.

Ich wünsche Euch von ganzem Herzen alles Gute.
Eure Barbara


15.9.2010


Coming Home

Wenn ich über meine ganz persönlichen Eindrücke in Amerika berichte, dann klingt das alles sehr begeistert. Es ist wunderschön hier. Die Menschen sind extrem freundlich. The living is easy! The weather is fine. Ich teile mir den Berg mit Tieren, die es bei uns nur im Zoo gibt. Böse Zungen behaupten, dass ich nach drei Jahren gar nicht mehr zurück will.

Ich war zu Hause, nur ganz kurz, aber zu Hause. Zu Hause bei meiner Familie, um mich für immer von meiner Mutter zu verabschieden und Zeit mit meinem Vater zu verbringen. Am Samstagnachmittag war ich zu Hause in Aachen bei meinem Hundeverein und am Abend zu Hause bei all meinen besten Freunden, um Hochzeit zu feiern. In der Nacht fuhr ich mit dem Taxi zu meinem Bruder, um dort zu schlafen und am nächsten Nachmittag trafen mein Vater, mein Bruder mit seiner Familie und ich uns in Nivenheim bei meinem anderen Bruder zum Kaffeetrinken, nachdem wir bei meiner Mutter im Krankenhaus waren. Ich habe innerhalb von 24 Stunden fast alle Menschen gesehen und gedrückt, die mir im Leben wichtig sind. Meine Mutter wäre froh, wenn sie wüsste, dass die Familie so zusammenrückt. Nobbi und die Jungs fehlten und die Menschen, die nicht auf der Hochzeit waren. Euch muss ich ein andern mal in die Arme nehmen.

Natürlich war es viel zu kurz und ich hätte gerne mehr Zeit gehabt. Mehr Zeit für jeden Einzelnen, aber ich empfinde es als großes Glück, in dieser emotional bewegten Zeit meine Traurigkeit mit Menschen teilen zu können, die mir lieb sind. Und das muss nicht unbedingt traurig sein. Man kann auch gemeinsam lachen, um Traurigkeit zu bewältigen.

Ich traf an diesem kurzen Wochenende: Meine Mutter, die spürte, dass ich noch einmal da war, und meinen Vater, dessen Alltag ich ein wenig aufmischte und wir genossen es beide, Moni und Oli, mit denen wir einen leckeren Lammbraten verspeisten und einen schönen Freitag-Abend hatten, am Vereinsheim in Aachen umarmte ich Nicole, die ich vor ihrer Prüfung gar nicht treffen wollte und es doch tat, aber sie hat mit Nala bestanden!!!, Thomas, Udo, Ursula, Monika, Frank, Annelie, Helmut, Norbert, Kristina, hoffentlich geht es deinem Fuß wieder besser, Janina, Horst, Heidemarie, auch sie hat bestanden, Margarete, Christian, ihm konnte ich damals nicht tschüss sagen, weil er so krank war, Rita, Ingrid, Kathrin, Manuel, Barbara, Katja, auch wir haben uns im Juli nicht mehr gesehen, Bettina, Anke, Gitta, Martina, Irmgard, Wolfgang, Regine und im Rausgehen auch noch Caro, ich habe das Wiedersehen genossen und dann ging es auf der Hochzeit weiter; Rainer und Steffi, ich bin froh, dass ich da war, es war ein schönes Fest, Micha, Basti, Hannes, Markus, am liebsten würde ich jeden Dienstag kommen, Tanja, Claudia, Ute, Petra, danke für deine Umarmung, du hast mich ganz doll festgehalten, Ruth, Julia, so oft wie dieses Jahr…wie schön!, Minne, Claudius, Anne und Martin, auch wir konnten uns im Juli nicht mehr persönlich Tschüss sagen und hatten auch an diesem Abend zu wenig Zeit, Detlev, Antje, Simone und Thorsten, mit dir habe ich kaum gesprochen, dafür mit Simone um so länger. Beim Frühstück in Übach-Palenberg waren dann Ruth, Peter und Thomas da und am Nachmittag in Nievenheim Christian, Astrid und Annika. Neunundfünfzig, wenn ich mich nicht verzählt habe. Was für ein großes Glück!

Ich hoffe, dass ich keinen vergessen habe. Ganz egal, wie viel Sonne in Kalifornien scheint, wie viel tolle, wilde Tiere mir begegnen, wie offen die Menschen auch immer sind und wie leicht das Autofahren hier ist. Das, was ich letztes Wochenende zu Hause erlebt habe, kann mir in der Fülle und Intensität dieses Land hier niemals bieten!

It was just a short trip, but very intensely…


17.9.2010


Zum Tode meiner Mutter, sie war begeisterte Kolumnenleserin, solange sie es noch konnte, sie hat mir das Sprechen beigebracht und die Liebe zu den Wörtern, auch zu den englischen, aber erst nachdem ich bereit war, Deutschland zu verlassen.

Sorrow

Aus dem Vorwort der Memoiren meiner Mutter:
Christine Ikier, August 2006

“In Frankreich und auch anderswo gibt es Parkanlagen, Herrensitze und Schlösser, die von wunderschönen schmiedeeisernen Gittern umgeben sind. Die schwarzen Stäbe, umrahmt von kunstvollem Rankwerk, enden zumeist in vergoldeten Spitzen. Besonders schöne Exemplare habe ich in Paris um den Bois de Boulogne und im Stadtzentrum von Nancy bewundert.

In den schlaflosen Nächten auf der Intensivstation in Dormagen nach der Darmoperation sah ich mich immer wieder vor einer solchen Gitterwand auf einer Bank sitzen. Ich sah zurück auf eine Allee, auf der ich geradewegs von weither bis zu dieser Bank gekommen war. In der Gitterwand war ein leicht geöffneter Durchgang, der mich einlud, auf der vertrauten Allee, deren Ende nicht abzusehen war, weiterzugehen. Doch etwas Unbekanntes hielt mich zurück. War es ein Gedanke, eine Erkenntnis, eine Stimme? „Geh’ nicht weiter. Bleib da sitzen, halte inne und schau zurück auf dein achtzigjähriges Wandern auf dieser schönen Allee. Du bist oft von ihr abgewichen, bist in Sackgassen geraten, in unnötige Umwege und Irrwege, aber ein gütiges Geschick hat dich zurück geführt, auf den guten vertrauten Weg“.

Da wusste ich, diese schwere Operation war die Einladung innezuhalten und meinen Weg zu bedenken, um meinen Kindern und meinen Enkeln zu erzählen, dass das Leben ein Geschenk aus Gottes guten Händen ist, die er uns entgegenstreckt und die uns in guten und in bösen Tagen tragen und bewahren.”


Meine Mutter hielt inne und schrieb ihre, unsere Geschichte auf. Erst als sie fertig war, stand sie von der Bank auf und ging durch das Tor, die Allee nun bewusst wahrnehmend und wanderte noch vier volle Jahre.

Ich stelle mir jetzt vor, dass sie in den letzten vier Wochen in denen sie wieder auf der Intensivstation in Dormagen lag, diesmal aber nicht schlaflos, sondern ganz im Gegenteil, künstlich schlafend im Koma, wieder auf einer solchen Bank saß, ein leicht geöffnetes Tor vor sich und bereit zu gehen. Sie wollte schon vor vier Wochen gehen, aber da wurde sie noch von Ärzten zurückgehalten. Nun hat sie es geschafft. Sie ist von der Bank aufgestanden, durch das Tor gegangen und hat die Allee verlassen, für immer. Es tröstet mich ein wenig, wenn ich mir vorstelle, dass sie in ihrer Ruhe und mit ihrem Gottvertrauen bereit für diesen Weg war.

The sorrow is so deep and here is nobody who can hold me.


27.9.2010


Frequent Flier Dogs

Nobbi ist Senator, nicht politisch, das wär’ ja noch mal schöner! Nein, sein Vielfliegerstatus heißt so. Er darf beim Einchecken an den First-Class-Schalter, darf in der Lufthansa VIP-Lounge umsonst Latte Macchiato trinken, die Zeit lesen und mitnehmen, After Eights essen und Nüsschen knabbern und die Nobeltoiletten benutzen.

Ich habe seit meinem letzten Flug 40 000 Flugmeilen zusammen, sammle bei Asiana, damit ich schneller den Goldstatus erreiche und darf ab jetzt auch an der langen Schlange vorbei zum Einchecken. In Korea darf ich nun auch in die Lounge, aber da zieht mich im Moment eigentlich gar nichts hin. Wir sind Vielflieger, ich bin Vielflieger!!! Unfassbar, noch vor einem halben Jahr bin ich in meinem Leben nur zweimal nach Spanien geflogen und hatte furchtbare Flugangst.

Und die Hunde?

Als wir im Sommer Deutschland verließen, ging ich davon aus, dass ich das den Hunden dieses Jahr einmal zumute und dann erst wieder in drei Jahren, wenn wir nach Deutschland zurückkehren. Es ist Stress für die Beiden, keine Frage, aber da sie im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft leben, ist bei der Zusammenkunft des Rudels am Flughafen wieder alles vergessen. Der Flugstress hinterlässt offenbar keine bleibenden Schäden und das Jet lag nehmen sie gelassener hin als wir Menschen. Sie schlafen, wann sie wollen.

Als meine Mutter starb und ich wusste, dass die ganze Familie nach Deutschland zur Beerdigung fliegt, suchte ich hier einen Dogsitter. Am Liebsten hätte ich einen guten Bekannten der Hunde gehabt, der nach Hause kommt und die Hunde und das Haus versorgt. Ich habe hier noch keine guten Bekannten, die die Hunde kennen und lieben. Ich kenne hier nur Fremde. Ich habe ein wenig herumgefragt, aber die, die in Frage kämen, waren auf die Schnelle nicht zu erreichen. So entschied ich mich, die Hunde mit zu nehmen.

Es ist leicht mit den Hunden in die USA einzureisen, aber gar nicht so einfach, wieder hinaus zu kommen, da die Bestimmungen hier recht streng sind.
Ich wusste zwar, dass ich irgendetwas vom Tierarzt brauchte, aber nicht genau was. Während also meine Familie in Deutschland sich in den Vorbereitungen der Trauerfeier befand, steckten wir in Amerika in den Vorbereitungen zum Fliegen zu fünft mit Hunden.

Nobbi verbrachte das gesamte Wochenende schimpfend an Reisebürohotlines und schaffte es Sonntag endlich 5 Flüge für Mittwoch in einem einzigen Flugzeug zu haben. Würden diese Telefonate im Amerikanischen Fernsehen gesendet, wären sie mit einem Beep nach dem anderen zensiert. Ich wusste gar nicht, wie viel Schimpfwörter Nobbi überzeugend aussprechen, nein, ausschimpfen kann. Jedenfalls hatte er zu Guter Letzt ein versöhnendes Gespräch mit dem Chef persönlich.

Ich bekam leider erst für Montagnachmittag einen Tierarzttermin, die Zeit rann…
Die Tierärztin war nett, die Tierarzthelferin Deutsche, was alles etwas leichter machte. Eigentlich hätte ich die Untersuchungsergebnisse nun nach Sakramento zur USDA (United States Department of Agriculture) schicken müssen, die hätten diese geprüft und wieder abgestempelt zurück geschickt. Man braucht diese Dokumente in Amerika für die Fluggesellschaft, da die nur amtlich gesunde Hunde reisen lassen. Die Behörde hatte natürlich am Montag nach dem Tierarzt schon zu. Inzwischen hatte ich mit Steve Kontakt aufgenommen, der Hundesportler aus San Jose, der eigentlich darauf wartet, dass ich mich bei ihm melde, um mit ihm zu trainieren. Nun meldete ich mich mit: „Steve, hilf mir, was kann ich tun“. Er wusste, wen ich in San Franzisko anrufen muss, um schneller an die Unterschrift zu kommen. So versuchte ich Dienstagmorgen mein Glück. Ich erreichte auch den betreffenden Amtstierarzt in San Franzisko, konnte ihm auch mein Anliegen schildern, verstand aber zu meinem großen Bedauern kein Wort von dem, was er sagte. Nie zuvor im Leben bedauerte ich meine schlechten Englischkenntnisse mehr. Ich war verzweifelt, rief Nobbi an, der zum Glück Zeit hatte und nun die Korrespondenz übernahm.

San Franzisko war nun nicht mehr telefonisch zu erreichen, es ging nur noch der Anrufbeantworter dran. In Sakramento sagte man uns, dass es in San Franzisko keine Termine mehr für Mittwoch gäbe und wir nach Sakramento müssten. 3 Stunden Autofahrt hin und 3 zurück…

Wir überlegten... Faxten zunächst all unsere Unterlagen sowohl nach Sakramento wie auch nach San Franzisko und hofften auf ein Wunder. Nobbi ging wieder zur Arbeit und ich überlegte weiter, was wir tun sollten. Unser Flieger ging am nächsten Tag um 19:00 Uhr, die Behörden machen jeweils um 15:00 Uhr Feierabend. Ich hätte es geschafft, am nächsten Tag nach Sakramento zu fahren, aber es erschien mir unverhältnismäßig. Mittags um 13:00 Uhr klingelte dann mein Handy. Es war San Franzisko. Er hat unser Fax gelesen und bietet mir einen Termin um 10.30 Uhr am Mittwoch an. Und eh ich antworten konnte, brach die Verbindung ab. Ich hätte heulen können. Ich suchte mir eine Ecke in unserem Haus, wo der Empfang besser war und rief zurück. Gott sei Dank, er hob ab, und ich fragte ganz vorsichtig, ob ich auch um 16:00 Uhr einen Termin haben könnte, denn mein Flieger geht erst abends. Und er sagte, dass das gar kein Problem sei. Ich freute mich, als hätte ich im Lotto gewonnen: „You are my Angel of this day“!

Als ich dann am Nachmittag die Bestimmungen zum Fliegen mit Hund bei United Airlines las, rutschte mein Herz wieder in die Hose. Unsere IATA geprüften deutschen Hundeboxen, von Lufthansa gern gesehen als gute Transportkennel, werden von United nicht akzeptiert, da sie Schnappverschlüsse haben und nicht verschraubt sind. Außerdem benötigt jeder Kennel zwei Wassergefäße, ich hatte nur eines.
Ahhhh!!!!

Was tun? Steve hat bestimmt einen, aber nur einen. Mist. Erst mal Nobbi fragen, der hat immer so gute Ideen. Nobbi schaute sich die Bestimmung an und hatte eine Idee. Er besorgte abends im Baumarkt lange Ösenschrauben und Flügelmuttern und bohrte neben jeden Schnappverschluss ein Loch. Nun haben wir Schnappverschlüsse und Verschraubung, besser geht’s nicht!!! Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich große Zweifel, ob United das akzeptiert. Aber es war inzwischen 10 Uhr Abends, Koffer mussten gepackt werden und zum Sorgen machen war keine Kraft mehr übrig.

Am nächsten Morgen fuhr Nobbi dann die Kinder in die Schule, ich packte das Auto voll, fuhr zum pet-shop, um noch Wassernäpfe für die Kennel zu besorgen und dann trafen wir uns alle gegen 15:00 Uhr an der Schule, um nach San Franzisko zu fahren.

Der Amtstierarzt war ein groß gewachsener, ausgesprochen gut aussehender Amerikaner, sportlich durchtrainiert und trotzdem strahlte er etwas ganz sanftes aus. (Sollten wir unsere Geschichte irgendwann einmal verfilmen, bekommt er den Oskar für die beste Nebenrolle.) Er war entzückt über die Passbilder meiner Hunde im Impfausweis und machte gründlich seine Arbeit. Über eine halbe Stunde dauerte das Ganze, aber wir hatten zum Glück genug Zeit. Mit den wertvollen Unterschriften machten wir uns dann auf zum Flughafen. Beim Einchecken wurden Nobbis Verschraubungen zwar ein wenig naserümpfend beäugt, aber doch akzeptiert. Die Hunde waren bis zur Abgabe beim Zoll entspannt, Lissy war sogar fröhlich, forderte Ceallagh immer wieder zum Spielen auf. Aber bei der Abgabe war es dann doch wie auch in München schon. Ceallagh fürchtete sich und zitterte und Lissy wurde in der Box zur Bestie, ich sagte zum Zollmenschen: „She’s a nice girl, but don’t put your fingers into the kennel!“ Sie würde schnappen!


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Foto: Oli, in München aufgenommen

Da ich aber wusste, dass ich in Frankfurt fröhlich begrüßt werde, verkraftete ich die Abgabe diesmal viel besser. Wir flogen entspannt nach Frankfurt, holten die Hunde ab und waren wieder ein glückliches Rudel. Die Tage in Stommeln mit entspannten fröhlichen Hunden bestätigen mein Gefühl, dass dieser Aufwand genau richtig war. Ich hätte sorgenvoll an meine Hunde gedacht, wenn sie bei Fremden hätten bleiben müssen.

Now my dogs are frequent flier too, but it’s a pity that they can’t collect their miles.


29.9.2010


Heat, Artificial Flood, Dryness

Eine Katastrophe kommt selten allein.

Wir haben eine Hitzewelle. Ob in ganz Kalifornien oder nur hier in der Bay Area weiß ich nicht, da ich im Fernsehen nur den lokalen Wetterbericht sehe, aber es ist auf jeden Fall heiß, sehr heiß und das nun seit etwa einer Woche. Morgens kein Nebel mehr und schon um die 30°C und nachmittags klettern die Temperaturen auf runde 100°F, also etwa 37°C. Wenn ich den Wetterbericht richtig verstanden habe, war es das letzte Mal 1995 so heiß, oder aber um diese Jahreszeit so heiß. Der Wetterfrosch spricht sehr undeutlich, ich habe nur die Jahreszahl auf der Wetterkarte gelesen.

Meist folgen auf Hitzewellen andere Katastrophen. Ich denke an Kreislaufzusammen-brüche, Ernteausfall und Waldbrände. Noch sind wir alle recht gesund. Meinem Feigenbaum, der Zucchinipflanze und auch dem Orangenbaum geht es nicht ganz so gut, da sie in der Zeit, als wir in Deutschland waren, nicht gegossen worden sind. Auf die Feigenernte kann ich getrost verzichten. Die Zucchinis werden ohnehin von irgendwelchen Tieren gefressen und die Orange erholt sich hoffentlich wieder. Der Wald brennt noch nicht.

Aber bedingt durch die Hitze haben wir Flut. Da nun unser Pool eine Woche nicht nachgefüllt wurde und viel Wasser verdunstet ist, füllte ich ihn gestern eine Stunde lang nach. Das Wasser hatte zwar noch nicht seinen Sollpegel erreicht, ich drehte es aber trotzdem ab, um Wasser zu sparen. Das Wasser hier auf dem Hügel ist kostbar. Wir teilen es uns mit den anderen Häusern und wenn der große Wassertank leer ist, muss der Tankwagen kommen und nachfüllen.

Heute Morgen dann rief Samuel plötzlich aus der Dusche: „Kein Wasser mehr da!“ Ahhhrg! Wir schauten nach. Unser Tank war leer, aber warum? Ich bin mir ganz sicher, dass ich gestern nach dem Gartenwässern alle Hähne zugeschraubt habe.

Jonathan kam traurig und sagte uns, dass er den Pool gestern nachgefüllt und vergessen habe. Tim (James T. Kirk der Ältere, Poolboy) hat ihm mal gesagt, dass das Wasser immer so und so hoch stehen sollte.


Also drehte Jonathan gestern Nachmittag das Wasser auf und vergaß es. Vergaß leider auch, mir zu sagen, dass er es aufgedreht hat. So lief es wohl die ganze Nacht. Nun hat unser Pool Hochwasser, der Haustank ist leer und wir hoffen nur, dass die Hügelzisterne noch genug Wasser für die anderen Bewohner hat. Immerhin haben wir ja die 5 Tage, die wir in Deutschland waren, gar kein Wasser verbraucht.


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Ich werde heute jedenfalls nicht duschen und auch den Garten nicht wässern. Sollte mir warm werden kann ich ja in den Pool hüpfen, da ist jetzt reichlich Wasser drin.

Suffering from heat, artificial flood in the pool and dryness in the garden are little disasters, but not really bad.

Tomorrow the weather will be a little bit cooler and the water will be filled up and then we will laugh about the wasted water.


30.9.2010


Cojote howls

Kojotengeheul

Tonaufnahme: 30.9.2010 mit meinem kleinen Fotoapparat (rechter Mausklick und zurück zu Kolumne, dann kann man hören und lesen gleichzeitig)

Manchmal liege ich nachts wach, das bringt das jetlag mit sich, und lausche in die Nacht hinein. Die Zikaden machen Krach wie in allen südlichen Ländern. Es ist ein gleichförmiges, rhythmisches Geräusch, das mich nicht im Geringsten stört, sondern eher etwas Beruhigendes hat. Der Schrei der Eule wühlt mich auf, nicht weil der Schrei mich stört, sondern eher, weil ich sie so gerne mal sehen würde. Dann ist da oft ein Rascheln in den Büschen, das mich wach hält, weil ich gerne wüsste, was da so raschelt. Und dann habe ich mit Sicherheit auch schon Kojoten gehört, war mir aber dessen nicht bewusst.

Heute Morgen aber, ich saß gerade am Computer, liefen meine Hunde ganz aufgeregt auf die Terrasse und bellten. Andere Hunde am Berg bellten auch und ich lief hinterher, da ich wissen wollte, was los war.

Da war Geheul unterhalb des Hauses im Wald. Ich sah zwei Hunde über den Weg weglaufen, weg vom Geheul, welches an Ort und Stelle blieb. Ich holte meinen Fotoapparat und filmte den Wald, um das Geräusch festzuhalten. Ich war fasziniert.


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Das war Kojotengeheul. Und zwar von zwei Kojoten, die nicht weit voneinander entfernt waren. Man hört zwischen dem Geheul immer wieder kurzes hohes Bellen, aber immer nur ein Wau und dann wieder Geheul.


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Ich vermute, dass die beiden Hunde, die ich gesehen habe, die Kojoten aufgeschreckt haben, die daraufhin das Jaulen begannen.


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Bilder alle: google sei Dank


Kojoten leben nicht wie Wölfe in einem festen großen Rudel. In der Regel leben sie in einem kleinen Familienverband. Rüde und Fähe und der Nachwuchs, bis er etwa ein Jahr alt ist und dann die Familie verlässt. Ob nun die beiden heulenden Kojoten andere Rudelmitglieder riefen oder sich von den Hunden nur abgrenzen wollten, weiß ich nicht, aber es war ein beeindruckendes Erlebnis.

Sometimes I ask me, what the sounds of silence are. The noises of the night and the howls in the morning are loud, but anyway are this silence, silence we can hear.


2.10.2010

Ich bin dann mal weg...

Used Cars, Three of Three (1)

Trailerpark

In used cars, two of three erwähnte ich schon, dass wir noch ein Auto für Nobbi brauchen. Aber es ist nicht ganz so eilig, da er sich ja in San Franzisko ein tolles Fahrrad gekauft hat, mit dem er tatsächlich zur Arbeit fährt. Eineinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden zurück, den steilen Berg hinauf. Wenn er nach Hause kommt ist es immer schon stockdunkel, aber er hat seinen Sport getrieben.

An den Wochenenden sitzt Nobbi immer am Laptop und surft auf den Gebrauchtwagen-Seiten nach Convertibles, nach Cabrios. Für mich sieht das immer weniger nach wirklichem Autosuchen aus, als mehr nach Zeitvertreib, so wie ich mich durch die Webseiten meiner Bekannten lese oder andere Menschen Sudokos rätseln. Nobbi schaut halt nach Autos.

Aber hier und da ist dann doch mal eines dabei, bei dem er anruft oder das er sich sogar anschauen will. Und so kommen wir ein bisschen rum.

Ein Ausflug, den ich so schnell nicht vergessen werde, ging in einen Trailerpark. In meinen Vorbereitungen auf Amerika, las ich ein Buch, indem ein Trailerpark als typisch nordamerikanisch beschrieben wurde und ich freute mich wahnsinnig, nun einen sehen zu dürfen. Ich bin doch immer auf der Suche nach Klischees! Ich wurde nicht enttäuscht.

Bei einem Trailerpark handelt es sich im Prinzip um eine Wohnwagensiedlung, bzw. eine Siedlung aus einer Ansammlung von Eigenheimen, die aus mehreren Wohnwagen zusammengesetzt sind, so genannten mobile-homes. Wer sich nun aber ein Gebiet vorstellt, dass an einen deutschen Dauercampingplatz erinnert, liegt völlig falsch. Soweit die Theorie. Ich wusste eigentlich, dass die „Trailer“ gar nicht wie Wohnwagen aussehen, aber was uns im Trailerpark erwartete, übertraf meine Erwartungen.

Die Einfahrt erinnerte an eine Kaserne. Es gab eine Einfahrt und eine Ausfahrt, getrennt von einem Portierhäuschen. Dort mussten wir uns anmelden. Der Pförtner trug eine schicke Uniform mit glänzenden Knöpfen und schicker Kappe und fragte wo wir hinwollen. Da wir eine Adresse und einen Namen hatten, fand der Pförtner unser Eindringen in Ordnung und händigte uns einen kleinen Stadtplan aus, beschrieb uns den Weg zu unserem Ziel, markierte auf dem Plan, wo wir hinmussten und warnte uns, dass wir auch ja auf den Besucherparkplätzen parken.

Die Anlage war sehr gepflegt, sauber, aufgeräumt mit kunstvoll angepflanzten und beschnittenen Pflanzen. Im Prinzip war der Trailerpark ähnlich aufgebaut wie Aachen, nur halt in klein und der Dom fehlte.


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Beide Bilder: google sei Dank


Es gibt Ringstraßen, die durch andere, kleinere Straßen miteinander Verbunden sind. In der Mitte der Anlage ist ein kleiner Park mit einem Wasserspiel und dem Clubhaus. Ich habe gehört, dass es in Trailerparks auch so etwas wie kleine Geschäfte gibt, habe aber selber keine gesehen. Die Trailer selbst sehen aus wie normale, kleine Einfamilienhäuser (immerhin etwa 100-150 qm Wohnfläche), nur ohne großes Grundstück drum herum. Von den Grundstücken her erinnern sie mich an deutsche Neubausiedlungen mit handtuchgroßen Gärten.

Casa del lago mobile home park,
San Jose


Die Häuser sind halt nicht aus Stein und könnten mit einem Tieflader umziehen, sehen aber aus wie ganz normale Häuser.


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Aber in der Luft lag Spießigkeit. Ich denke, dass das an der Ordnung und der Sauberkeit lag. Natürlich parkten wir nicht auf den Besucherparkplätzen, sondern fuhren in die Seitenstraße zu unserer Adresse. Der freundliche Asiate, der uns begrüßte, bat uns, unser Auto doch auf die Besucherparkplätze zu stellen, sonst bekäme er Ärger, aber er würde mit seinem Auto mitfahren und uns wieder mit zurücknehmen. Wir lachten, es handelte sich um etwa 50 Meter, wenn’s hoch kommt 80. Wir lehnten sein Angebot dankend ab und versicherten ihm, dass wir das auch laufen können.

Wir schauten uns einen Mercedes 450 sl, ein gepflegtes, aber uraltes Cabrio an, fuhren es durch den Trailerpark test, hielten uns nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung und amüsierten uns köstlich über das Flair dieser ureigenen Welt.

Das Auto war uns zu teuer und wir fuhren wieder heim. Zwar ohne Auto, aber dafür mit dem Erlebnis, mal einen Trailerpark von innen gesehen zu haben.

Sometimes I wonder about the living of the natives, but you can find strange forms of living in the whole world.

Fortsetzung folgt…

Will be continued…


Used Cars, Three of Three (2)
Oakland

Seit wir in Amerika sind haben wir erst einen Ausflug an den Pazifik gemacht. Alle anderen Aktivitäten, die wir gemeinsam machen, sind immer mit Besorgungen aller Art verbunden. Essen gehen, Elektrogeräte oder Klamotten shoppen, Dinge für das Haus oder den Garten besorgen oder einfach normale Einkäufe. Wir fahren selten irgendwo hin, um uns etwas anzuschauen.

Aber wir kommen trotzdem rum.

In San Franzisko waren wir wegen dem Fahrrad, im Trailerpark wegen einem Auto und nun fuhren wir auch mal nach Oakland wegen einem Mercedes Convertible, aber ein neueres Modell, als der Trailerpark-Benz.

Vor Oakland habe ich großen Respekt. Es ist die Hafenstadt der Bay, gegenüber von San Franzisko gelegen. Es ist in den Vereinigten Staaten die Stadt mit der vierthöchsten Kriminalitätsrate und die Polizei bekommt die Jugendbanden nicht in den Griff. Sie kann nur machtlos zu schauen, wie die Gewalt regiert. In den Lokalnachrichten hört man täglich irgendwelche Berichte von Ermordungen unbescholtener Bürger in ganz normalen Wohngebieten.

Respekt? Ich hatte tatsächlich Angst.

Wir fuhren nach Oakland um uns ein Auto anzuschauen und ich hoffte, dass wir nicht Opfer eines Verbrechens würden. Ich hatte tatsächlich Gedanken wie: das ist bestimmt ne Falle, man will uns nur ausrauben oder hoffentlich ist das Auto nicht geklaut.

Da sieht man mal wieder, was vernünftige Berichterstattung im Fernsehen für Einfluss auf die Gedanken von einfachen Menschen haben kann. Aber da ich ja weiß, dass meine Fantasie manchmal mit mir durchgeht, fuhr ich tapfer mit nach Oakland. Außerdem wollte ich nicht, dass Nobbi alleine den Jugendbanden ausgeliefert ist.

Als wir von der Autobahn runter fuhren, sah man sofort dass wir nicht mehr in Silicon Valley waren.

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Dieses interessante Gebäude fotografierte ich aus dem Auto raus. Es sieht aus, wie aus einem alten Cowboyfilm übrig geblieben. Die Stadt durch die wir fuhren unterschied sich grundlegend von San Jose, Mountain View, Los Gatos oder wie auch immer die Orte in und um Silicon Valley heißen. Es gibt in Silicon Valley keine alten Gebäude, es ist alles relativ jung. Das macht zwar auf den ersten Blick einen recht gepflegten Eindruck, aber irgendetwas fehlt. Es sieht alles so künstlich aus und so eine alte verfallene Bude lässt ein Stadtbild tatsächlich leben.

Trotzdem war mir mulmig, als wir durch die Straßen fuhren. Erst war die Stadt ganz flach und dann fuhren wir bergauf. Eine gerade steile Straße, wie man sie aus den Filmen aus San Franzisko kennt und die Häuser veränderten sich. Wir fuhren in ein Wohngebiet auf den Hügel hinauf. Die alten verfallenen Häuser verschwanden und schöne, alte Einfamilienhäuser kamen zum Vorschein. Teilweise mit Türmchen, kleinen Zinnen aus Holz oder spitzen Dächern und jeder Menge Flair.
Leider vergaß ich zu fotografieren.


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(
Bilder: google sei Dank!)
(was brauch ich einen Fotoapparat, wenn google das viel besser kann)


Ich habe die Gegend in der wir hier wohnen als Toskana Amerikas beschrieben, in Oakland war ich an seiner Cote d’azur. Als wir die Testfahrt mit dem Auto machten, wurde dieser Eindruck bestätigt. Die Autobahn, die sich durch die Berge schlängelt, teilweise mit Blick aufs Meer, war als ob wir mit dem Cabrio um Nizza herum fuhren.

Aber auch dieses Auto kauften wir nicht. Es verlor Getriebeöl und Nobbi war der Meinung, dass ein Mercedes, der gerade mal 15 Jahre alt ist, doch kein Öl verlieren darf.

We were in Oakland and we left Oakland with all our money and without any negative experience. No robbery, no murder and no other signs of crime.

Fortsetzung folgt…

Will be continued…


Used Cars, Three of Three (3)
Cool

An dem Wochenende als ich alleine in Deutschland war, chattete ich nachts mit Jonathan, der mir erzählte, dass Nobbi die Garage aufräumt. Ich wunderte mich darüber, denn die ganze Garage ist voll mit leeren Umzugskartons, die darauf warten abgeholt zu werden, was soll man da noch aufräumen? Ich fragte nicht weiter, denn Reisende soll man nicht aufhalten und Aufräumende schon gar nicht…

Am Montag flog ich zurück. Es war schon dunkel, als das Flugzeug landete und ich war furchtbar müde von der Reise und dem anstrengenden Wochenende. Als Nobbi mich abholte, wollte ich nur noch heim und ins Bett. Wir liefen durch den Flughafen zum Parkhaus. Im Parkdeck lief ich geradeaus, konnte aber unser Auto nicht entdecken und lief immer weiter. Aber Nobbi blieb irgendwann einfach stehen. Ich drehte mich um und Nobbi grinste. Da stand er, hinter einem weißen Mercedes 450 SL. Das Verdeck war auf und es hatte schon etwas Besonderes. Aber Nobbi meinte nur trocken: „Es ist ‚ne Schrottkarre, hat nur 2000 Dollar gekostet und ich fahr ihn bis er kaputt ist.“

Wir fuhren los und ich merkte recht bald, dass mir furchtbar kalt war. Ich bat darum, die Heizung anzumachen, was nicht ging, weil sie kaputt ist. Wir verließen dann die Autobahn, um das Verdeck zu zumachen, was im Dunkeln gar nicht so einfach ist, aber ich musste wenigstens nicht mehr frieren.

Es ist ein wirklich schönes Auto. 35 Jahre alt, frisst mehr Benzin als Nachbars Pick up, die Heizung ist kaputt, der Blinkhebel muss festgehalten werden, wenn man rechts blinkt, es stinkt ganz fürchterlich nach verbranntem Öl und rappelt als wäre es ein alter Diesel, aber es ist ein wirklich schönes Auto. Es hat was, anders als der Mini, aber es hat was…


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Nobbi fährt weiterhin mit dem Fahrrad zur Arbeit, er nimmt den Benz nur, wenn es nicht anders geht, aber die Jungs finden ihn großartig. Sie würden am liebsten jeden Tag damit zur Schule fahren, was nicht möglich ist, da es ein Zweisitzer ist und sie nun mal zu dritt sind. Gestern Nachmittag sind die Großen mit dem Wagen in die Stadt gefahren und waren ganz begeistert, als sie wieder zurück kamen. Sie würden ständig angesprochen, was für einen tollen Wagen sie fahren und wurden sogar an der Ampel von einer jungen, hübschen Frau fotografiert. Eine ältere Frau, wie Moritz meinte, war sie bestimmt auch mal hübsch, sagte zu ihnen, sie sollten diesen Wagen genießen so lange er fährt. Es wäre das schönste Auto, das sie kennt.

Nobbi ist ein wenig enttäuscht, da er noch nie von hübschen Frauen in seinem Wagen angesprochen wurde und ich persönlich finde, dass ihm das Fahrrad wesentlich besser steht. Aber wenigstens müssen wir jetzt nicht mehr auf Autosuche gehen und kommen vielleicht endlich mal dazu, mit den Hunden einen richtigen Ausflug zu machen.

Now we have got three cars. The biggest car is mine, the smallest is for the kids, but the coolest car is for the guy who doesn’t need it.


3.10.2010


4.Teil der Gebrauchtwagentrilogie
Part 4 of the trilogy of used cars

Used Cars, Three of Three (4)
Born To Be Wild

Born to be wild, Steppenwolf

(rechter Mausklick und zurück zur Kolumne, die Musik muss man hören, während man liest!)

Natürlich konnte Nobbi die Sucherei im Internet nach dem letzten Autokauf nicht einfach sein lassen. Ich erwähnte ja, dass es mehr eine Freizeitbeschäftigung ist, als eine wirkliche Suche. Da er aber nun ein Convertible gefunden hat, dehnte er seine Suche ein wenig aus.

Amerikanische Straßenkreuzer, Pick-ups, Jaguars, Oldtimer aller Art und Motorräder. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, würde er Sudokos raten, hielte ich auch meinen Mund.
Gestern Abend nach dem Essen nahm er den Autoschlüssel und sagte, er müsse noch mal weg, er wolle sich ein Motorrad angucken. Ich stutzte kurz, aber da war er schon weg. Na, dann verbring ich meinen Samstagabend halt mit Kolumne schreiben und fertigte den dritten Teil der „used cars Trilogie“ an.

Es war ein bisschen wie im Film. In dem Moment, als ich den englischen Abschlusssatz tippte, hörte ich draußen am Gatter ein lautes Knattern und sah Licht. Ich dachte ich spinne. Ich öffnete das Gatter und Nobbi fuhr auf einer Harley in unseren Hof.

Wo bin ich hier?

Ich zeterte ein wenig, sang aber direkt „Born to be wild“. Wir sind doch keine Millionäre oder sonst irgendwie reich. Brauchen wir wirklich einen solchen Fuhrpark? Aber Nobbi strahlte. Ich glaube nicht, dass wir das nötig haben, ich hoffe auch, dass Nobbi noch weit entfernt von der Midlife-Crisis ist und auch nichts zu kompensieren hat. Aber er beruhigte mich. Sie ist 30 Jahre alt, ein Schätzchen und hat nur 1000 Dollar gekostet. Jederzeit könnte er sie verlustfrei wieder verkaufen.


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Ach, ich brauch gar keine Ausreden. Wir wollen die Zeit in Amerika genießen, jeder auf seine Art. Und wenn Nobbi dafür eine Harley und ein Cabrio braucht, im Alter von 30 und 35 Jahren, dann ist mir das doch wesentlich lieber, als wenn er sich Frauen in diesem Alter sucht.


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Außerdem musste Nobbi seine geliebte XT in Europa lassen. Sie begleitet ihn schon fast so lange, wie ich an seiner Seite bin. Mich konnte er mitnehmen, „Lord Helmchen“ musste ins Depot. Und nächstes Jahr hätten sie silbernes Jubiläum. Es war eine schwere Entscheidung.


Ich gönne ihm die Harley von ganzem Herzen. Möge sie ihm über die Trennung zu Lord Helmchen hinweghelfen.

In dem Song von Steppenwolf „Born to be wild” heißt es: “
looking for adventure in whatever comes our way, yeah, darling gonna make it happen, take the world in a love embrace”


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Juli 2010: Lord Helmchen mit einem
Fremden auf dem Weg ins Depot


Yes, now I think we need the Harley. It’s not the vehicle we need to drive, it’s just the feeling we need to be free and happy here in America.

Staunend geht es weiter

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